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Die zweite Karriere im Eishockey: Vom Spieler zum Schiedsrichter
04.02.2020Bild: Christian Fölsner

Die zweite Karriere im Eishockey: Vom Spieler zum Schiedsrichter

Bastian Steingroß hat den Schläger gegen die Pfeife getauscht / Trainee Programm unterstützt Schiedsrichter /„Keiner ist ein Einzelkämpfer!“

Einiges ist gleich geblieben – der Gang zur Halle, Gedanken über die anstehende Partie, warmmachen sowie Schlittschuhe und Helm anziehen. Doch anstelle zum Schläger greift Bastian Steingroß nun zur Pfeife. Jeder in der DEL2 kennt ihn als Verteidiger, der alles für sein Team gab. In den letzten sieben Jahren seiner Spielerkarriere trug er das Trikot der Bietigheim Steelers und schon zu dieser Zeit machte er sich über die Karriere nach der Karriere Gedanken.

Foto: Timo Raiser

Für Steingroß war klar, dass er keinen Coaching-Posten übernehmen möchte, aber dem Eishockeysport weiterhin die Treue halten will. Im Sommer 2017 nahm er an einem Schiedsrichtercamp in Köln teil – und von da an streifte er neben dem Spieler-Trikot auch das eines Referees über. Zwei Jahre pfiff er in seiner Freizeit, meistens samstags, in der Landesliga, um so Erfahrungen zu sammeln. Vor der Saison 2019/2020 hat Steingroß die Spielerkarriere beendet und ist mit seiner Familie zurück nach Berlin gezogen, aber das Eis hat er nicht verlassen. In den zwei Jahren hat er sich mit dem Job eines Unparteiischen vertraut gemacht, mögen gelernt und übt das Amt eines Schiedsrichters nun mit viel Herzblut aus. „Die zwei Jahre in der Landesliga von Baden-Württemberg haben mir sehr geholfen und ich kann jeden, der Schiedsrichter werden will, diesen Schritt empfehlen“, so der 37-Jährige.

Ehemalige Spieler für das Schiedsrichterwesen zu gewinnen ist für den DEB von enormer Bedeutung. Für die Eishockey-Profis ist aber auch ein großes Umdenken nötig, wie Steingroß erklärte: „Als Unparteiischer benötigt man eine andere Herangehensweise, es ist wie eine andere Sportart. Als Spieler setzt du dich mit dem Regelwerk nicht so ausführlich auseinander. Das Regelbuch, unsere Richtlinie, habe ich immer bei mir. Es gibt viele Feinheiten und das gesamte Regelwerk ist sehr komplex. Ich kann jedem Spieler und auch Fan nur empfehlen, sich damit ein bisschen mehr auseinanderzusetzen.“

Am 31.03. 2019 spielte Steingroß zuletzt in der DEL2. Nur zehn Monate später feierte er sein Comeback in der Liga – am 17. Januar 2020 pfiff er zusammen mit Roland Aumüller die DEL2-Hauptrundenpartie Landshut gegen Dresden. Zwei Tage danach leitete er sogar eine Partie in der DEL – und das in München. „Das Wochenende war etwas ganz besonderes. Zuerst in der DEL2, die ich bestens kenne und meine Heimat ist, danach in der DEL. Darauf habe ich hingearbeitet. Bei dem Spiel in der DEL war ich schon ein wenig aufgeregt - viele Kameras, größere Medienpräsenz und die Live-Übertragung bei der Telekom, da steht der Unparteiische noch mehr im Fokus. Aber das Wochenende war klasse und mir macht die Arbeit als Schiedsrichter unglaublich viel Spaß“, erklärte der Berliner und ergänzt: „Es ist eine große Herausforderung. Als Schiedsrichter verbringe ich viel Zeit mit Video-Studium. Dies gehört zu einer ordentlichen Vorbereitung dazu.“

Das der ehemalige Verteidiger so schnell sein Debüt in der DEL2 und DEL feiern konnte, hätte er nie gedacht. „Mein Plan war: Dieses Jahr Oberliga, danach DEL2 und im dritten Jahr DEL. Dass ich bereits im ersten Jahr in beiden Ligen Luft schnuppern konnte, ist grandios. Ich bin für dieses Vertrauen unendlich dankbar, was in mich gesteckt wurde“, so Steingroß. Auch Bruce Becker, ebenfalls ehemaliger Spieler in der DEL2, feierte an diesem Wochenende seine Schiedsrichter-Premiere in der Liga. Gemeinsam haben Steingroß und Becker schon viele Spiele in der Oberliga geleitet.

Das dieser schnelle Werdegang überhaupt möglich ist, ist dem Trainee-Programm zu verdanken. Steingroß und Becker absolvieren dieses Programm zusammen mit den Kollegen Christopher Schadewaldt, Aleksander Polaczek, Kilian Hinterdobler und Lucas Kohlmüller. Jedes zweite Wochenende finden in Bayern Schulungen statt. Unter der Leitung von Gerhard Müller kann durch das Programm das Schiedsrichterwesen weiter vorangebracht werden und neue, engagierte Referees können so gefördert werden. Drei Jahre läuft dieses. Auch der Austausch untereinander ist dabei wichtig und dieser findet auch regelmäßig statt. Die Linienrichter müssen, wie ein Hauptschiedsrichter, das gleiche Wissen haben. Dies ist den Wenigsten bekannt. Es findet auch über das Regelwerk ein ständiger Austausch statt. „Keiner ist ein Einzelkämpfer“, so Steingroß abschließend. 

„Die Arbeit eines Schiedsrichters sollte keiner unterschätzen. Schon in der Zeit, als ich in der Landesliga pfiff, habe ich gemerkt, was ein Referee alles leisten muss. In Bruchteilen von Sekunden ist die richtige Entscheidung zu treffen. Die hohe Kunst ist es, alles fair ablaufen zu lassen und kein Spieler soll sich verletzen. Jeder bereitet sich explizit auf die zu leitende Partie vor. Sicherlich ist jeder nur ein Mensch und Fehler passieren. Aber auch daraus lernt ein jeder. Die Schiedsrichter nehmen alle lange Wege auf sich, um ein Spiel leiten zu dürfen. Jeder möchte eine gute Leistung abliefern. Alle Unparteiischen, die auf dem Eis stehen, machen dies mit einer großen Leidenschaft – alles neben dem eigentlichen Beruf. Der Blickwinkel eines Referees ist dabei auch ein anderer, als von den Rängen. Man ist direkt mit auf der Eisfläche, man lernt worauf ein Schiedsrichter achten muss und auch wie das Stellungsspiel ist.“

Die Ligen und das Schiedsrichterwesen profitieren von dem Rekrutieren ehemaliger Spieler. Das Wissen und das Feingefühl für Spielsituationen auf dem Eis sind hier nicht zu unterschätzen und von Vorteil. Steingroß ist ein gutes Beispiel dafür, dass ehemalige Profi-Spieler mit einer zweiten Karriere als Schiedsrichter dem Sport treu bleiben und so ihre Liebe und Leidenschaft zum Eishockey fortführen können.

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